Gastbeitrag: Die Hoppenstedts im SPA

Ein Gastbeitrag von Minna Millennium.

Kennt Ihr das?

Diesen simplen Wunsch der einen dann und wann überkommt, einfach mal wieder etwas für sich zu tun? Sich Zeit zu nehmen, an sich selbst zu denken, die Anspannungen des Alltags abfallen zu lassen und die innere Balance wiederzufinden. Etwas zu tun, das der Seele schmeichelt.
Am Ende lockt sogar die Aussicht auf sichtbare Minderung von Falten und Fältchen, gleichmäßiger Teint, Verfeinerung der Poren, Zunahme des Lippenvolumens (oben/unten), Gewichtsabnahme, straffere Haut und vitaleres Aussehen. Wenn das kein Ansporn ist!

Kurzentschlossen schnappte ich mir Jasper – ihm würde so eine SPA-Behandlung auch guttun – und fuhr mit ihm eines Samstags im Februar in einen 5-Sterne-Premium Wellnesstempel. Nee, Quatsch. Späßle gemacht. Wir fuhren in einen Swingerclub. Aber im Endeffekt kommt’s aufs Gleiche raus. Auch finanziell gesehen.

An besagtem Samstagabend im Februar war es jedenfalls lausig kalt. Minus 12 Grad zeigte das Thermometer. Uns war es egal, denn wir hatten uns in sexy Thermoboots und Daunenjacken gewandet. Und jetzt standen wir in einer langen Warteschlange vor dem Club. Die Mitwartenden waren überraschender Weise auch total unspektakulär angezogen und nicht etwa in halbseidene Fummel gekleidet, wie ich zuvor spekuliert hatte. Überhaupt sahen sie ziemlich normal und unauffällig aus. Ich war schon fast ein bisschen enttäuscht. Die Stimmung in der Warteschlange war folglich locker, flockig, unverkrampft. Beinahe familiär. Kein Wunder, zeigen doch jüngste Studien, dass Menschen, die ihr sexuelles Coming-out haben, deutlich stressfreier, entspannter und sogar gesünder durchs Leben gehen. Das weiß sogar Toni.

Nachdem wir als nicht vorangemeldete Gäste noch so gerade eben Zutritt ins Innere des Clubs gewährt bekamen, war erst mal „Umziehen“ angesagt. Flugs wurden die Kamikboots gegen High Heels getauscht und die halbseidenen Fummel aus dem Täschchen gezaubert. Jasper bestach durch sein nachtschwarzes „GIRL GIRLS GIRLS“-Shirt und sein gewinnendes Lächeln. Ich trug ein kurzes, schwarzes Kleid und zog darunter blank, was man freilich nicht sah, mich aber in eine leicht erregte Grundstimmung versetzte.

Die obere Etage des Clubs ist DER Bereich. DER halt! Ihr wisst schon. Der mit vielen Zimmern und Spielwiesen, schummrigen Licht und bemerkenswerten Geräuschen. Es war gefühlte 40 Grad heiss. In Anbetracht der winterlichen Außentemperaturen hatte sich die Clubleitung wohl dazu entschlossen, alle Heizungen bis zum Anschlag aufzudrehen. Hie und da vernahm man lustvolle Seufzer und begeistertes Stöhnen. Schuhe lagen kreuz und quer vor den Zimmern. Eigentlich ganz gemütlich.

Plötzlich wurden Jasper und ich vollkommen unerwartet angesprochen: „Mensch! Wir kennen Euch. Ihr seid doch…“ Im Gegensatz zu dem vor uns stehenden Pärchen hatten weder Jasper noch ich einen Schimmer, wer uns da gegenüber stand. Und dann kam der Moment, in dem es sich rächt, wenn man sich im Internet einen zu dämlichen Nicknamen verpasst. Bei dem Paar gegenüber fiel nämlich mittlerweile der Groschen: „Die Hoppenstedts!“ Und so machten wir also die Bekanntschaft von Ulli und Meike, die wir bislang nur von Nacktfotos aus dem Internet her kannten.

Was dann folgte, war die wundersame Annäherung von vier Menschen, die sich gut finden und das Gleiche wollen. Zumindest so in etwa. Und soweit man das überhaupt nach so kurzer Zeit beurteilen kann. Jedenfalls dauerte es nicht lange, da knutschte Jasper mit Meike, ich mit Ulli. Und mit Meike. Am Ende der Nacht landeten wir auf einer Matratze und vergnügten uns. Vor allem aber amüsierten wir uns.

Jasper hat übrigens seine Unterbuxe verloren und ich garantiert ein paar Falten.

Zum Glück bin ich nicht (immer) hetero

Aus Spaß sage ich, dass mir vieles egal ist, wenn es mal wieder heißt: "Toni, warum bist du eigentlich immer so entspannt?" Nun kenne ich dank der Wissenschaft den wahren Grund. Kanadische Forscher haben herausgefunden, dass offen schwule und bisexuelle Männer geringere Mengen des Stresshormons Cortisol im Blut haben. Wer also sein Coming Out hatte, lebt entspannter.

Nehmen wir für einen Moment an, dass diese Studienergebnisse tatsächlich die Realität widerspiegeln (eine gewagte Annahme, ich weiß). Woran liegt es dann? Warum haben Heten mehr Stress? Bisher kenne ich drei Theorien:
  1. Tabsie vermutet, es liegt auch an den Genen, denn die sind eh Schuld dran.
  2. Dan Savage meint, dass heterosexuelle Männer mehr Stress mit ihrer sexuellen Identität haben, weil sie dauernd beweisen müssen, dass sie wirklich nicht auf Schwänze stehen. Das ist ja auch wirklich anstrengend.
  3. Stephen Colbert schließlich liefert die überzeugendste Begründung: Schwule sind so entspannt, weil sie nicht mit Frauen herumschlagen müssen. Macht Sinn.
 Weitere Hypothesen sind willkommen. Was denkt ihr? Und wie steht es um euer Cortisol-Level?