In Brandenburg

Was ist trauriger: ein lieblos eingerichteter Fetischclub oder ein fast leerer lieblos eingerichteter Fetischclub?

Die Antwort lautet: ein fast leerer lieblos eingerichteter Fetischclub, in dem die Hälfte der Gäste Biker sind. Solche Biker.

Wir hatten uns das anders vorgestellt, als wir uns mit den Hoppenstedts zur "Bi-Party" verabredeten. Der kleine Club schien die Fetisch-Oase der Stadt zu ein, nachdem sein großer Bruder schon vor Jahren schließen musste. Da wollten wir vier anderen Erwachsenen bei der Arbeit zuschauen und gleichzeitig Tabeas neues Korsett der breiten Öffentlichkeit vorstellen.

Leider bestand die Öffentlichkeit aus 14 zu dürftig bekleideten Zeitgenossen jenseits der 50, die uns kollektiv erschrocken anstarrten, als wir durch den Vorhang zur Bar gingen. Der Wein war schlecht, ebenso die große Spinne über'm Eingang. Für meinen Geschmack hing hier noch zu viel Deko von Halloween herum. Es gab die Standardausstattung für 50-Shades-Leser samt Streckbank, Käfig und Andreaskreuz, aber originell war das alles nicht. Und leer, leer war es.

Wir unterhielten uns ganz wunderbar mit den Hoppenstedts: vor der leeren Gefängniszelle, vor der verwaisten Liebesschaukel, am Rande der leblosen Tanzfläche und neben der unbenutzten Spielwiese. Ab und zu lief jemand an uns vorbei, offensichtlich auf der Suche nach Leben. Doch wir waren auf dem Mars.

Wir bleiben trotzdem bis um drei Uhr, weil die Hoppenstedts den Mangel an Fetischern durch ihre bunten Geschichten mehr als wett machten. Mit denen könnte man bestimmt auch gut durch Brandenburg fahren - vielleicht auf einem Motorrad? Und wenn wir zwischendurch unsere Ruhe wollen, gehen wir einfach in einen Club.

Tonis Buchtipp

Fitness und Sex - so heißt ein Bilderbuch, das seinen Weg vom Grabbeltisch der Unibibliothek auf unseren Küchentisch gefunden hat.



Der Einband verrät uns, dass dieses Time-Life-Buch 1988 unter dem Originaltitel "Fitness, Health & Nutrition" erschienen ist. Das erklärt zum einen die perfekten Fönfrisuren der abgebildeten Vorturner, zum anderen den Mangel an Sex, der sich durch das Buch zieht. Entweder wurde der Titel für die deutsche Übersetzung aufgesext oder für das amerikanische Original abgemildert, damit das Buch auch bei Walmart im Regal stehen konnte. Wer beide Titel kennt, kann sich jedenfalls erklären, warum der Schmöker mit einem Kapitel über Sexualkrankheiten beginnt und mit einem Johannisbrotkekse-Rezept endet (2 Eier, 150 g braunen Zucker, 175 g Weizenmehl, 1/4 TL Backpulver, 1 TL Orangenschale, 125 g ungesüßte Johannisbrotplättchen, eine Prise  Salz. Umrühren, fertig). Warum schreibt heutzutage niemand mehr solche Bücher? Ich wette, das Internet ist Schuld.



Zwischen Gonorrhoe und Backpulver sehen wir Barbie und Ken dabei zu, wie sie ihr pastellfarbenes Elasthan vor der Linse recken und strecken. Natürlich bleiben sie während der Übungen vollständig stets bekleidet, nur in der Fotostrecke "Sinnlichkeit" gibt es fast Barbies Nippel durchs Negligé zu sehen, als ihr Kopf während der Lippenmassage in Kens Schoß liegt. Die dargestellten Partnerübungen erinnern abwechselnd an verunglückten Gymnastikunterricht in der Realschule oder an Hippietänze bei einer Anti-Castor-Demo - bloß sitzen bei den Hippies die Frisuren nicht so geschmeidig. Kurzum: ganz großes Tennis.