Mehr als nur Planschen

Wer kennt das nicht? Ewald, 51 Jahre und aus Borken, fällt in der ersten Nachricht mit der Tür ins Haus: Date in der Sauna? Am besten gleich heute Abend. Dabei übersieht der forsche Partnersucher vor lauter Aufregung, dass die Sauna für ein erstes Date gar nicht gut geeignet ist, weil man dort nur wenig gemütlich fressen, saufen und tuscheln kann - und darum geht es einem echten Genießer ja schließlich.

Ein viel besserer Ort für Dates ist das Schwimmbad, im Sommer gern auch in Form eines Freibades (wo ich vor sechs Jahren auch die Freaks traf). Da ist man nämlich nicht nur so gut wie nackt, man kann sich auch gleich mal ein Bild davon machen, wie sportlich der potenzielle Partner fürs Leben wirklich ist. Außerdem verrät die Wahl der Schwimmkleidung viel über den Charakter, wie jeder Bademeister bestätigen wird. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine sportliche Runde mit Tom und Sabrina, bei der wir alle ganz brav nur schwimmen wollten, Tom sich aber in seinen engen Speedos trotzdem nicht wohl fühlte. Das war sein letzter Auftritt mit körperenger Schwimmkleidung, angeblich weil sie "zu viel Pflegeaufwand" bräuchte.

Natürlich spielt das Sehen und Gesehenwerden im Schwimmbad auch eine Rolle. Ich hatte zwar mangels Speedos noch nie so einen erhöhten Pflegeaufwand wie Tom, aber auch ich rasiere morgens die heikelsten Stellen, wenn ich weiß, dass ich abends schwimmen gehe. Irgendwer guckt ja immer, sei es über oder unter Wasser. Und ich gucke zurück, um nichts zu verpassen. So sah ich eines Abends die durchaus üppige Behaarung zwischen den Beinen einer Schwimmerin vor mir, die vielleicht gar nicht wusste, wie viele ihrer Haare an der Seite ihres Schwimmanzugs hervorlugten. Oder wusste sie es doch? Ich sparte es mir jedenfalls eine ganze Weile lang, sie zu überholen, damit ich diesen ungewöhnlichen Anblick möglichst lange auskosten und verarbeiten konnte. Nichts vertreibt die Zeit beim Schwimmen besser als fundierte Gedanken zum Thema Schambehaarung.

Richtig spannend wird es aber erst, wenn auf der Nebenbahn eine Wassernymphe auftaucht. Diese sagenhafte Gestalt ist nicht nur betörend schön und unheimlich engagiert, sie bewegt sich auch so geschmeidig durch das Wasser, dass ich an die schönsten Momente griechischer Tragödien denken muss, wenn sie an mir vorbeizieht. Und das geschieht häufig, denn ein Merkmal ihrer Kunst ist ihre gute Technik, die sie im Normalfall schneller schwimmen lässt als mich. In mein Blickfeld gerät sie deswegen immer nur für ein paar flüchtige Momente, die aber dank ihrer Geschmeidigkeit umso angenehmer ausfallen.

Hylas and the Water Nymphs
Hylas und die Wassernymphen - Henrietta Rae [Public domain], via Wikimedia Commons

Wie schafft sie es zum Beispiel, ihren Po beim Schmetterlingsschwimmen so schön aus dem Wasser zu drücken? Wie kann sie so schwerelos durch die Bahn gleiten? Wieso steht ihr das Blau des Beckens so gut? Warum spannt der Schwimmanzug so eng über ihrer Brust? Wann kann ich sie in Zeitlupe erleben? Und wieso strenge ich mich nicht ein bisschen mehr an, um wie sie zu schwimmen? Ach stimmt, ich bin ja immer abgelenkt. Jetzt wisst ihr, warum ich kein Leistungssportler geworden bin.

Der Anblick der Nymphe verdeutlicht auch, wie anders ich Formen, Farben und Bewegungen unter Wasser wahrnehme. Der Lärm der Welt ist dort auf mein eigenes Atemgeräusch reduziert, so dass ich die leicht verzerrten Bilder der Unterwasserwelt intensiver wahrnehmen kann. Mein Blick macht dann Schnappschüsse des Treibens um mich herum, das sich in Luftblasen, Druckwellen und Reflektionen äußert. Wie ein gut funktionierendes Sonar verfolgen meine Augen durch die Schwimmbrille die feinen Bewegungen der Nymphe, wenn sie in mein Sichtfeld gerät. Stromlinienförmig ist ein viel zu kompliziertes Wort für die weichen Kurven, die sich da fortbewegen und manchmal ganz leicht aus dem Wasser ragen, wo sie für einen Moment von einem glänzenden Film bedeckt werden, der mich ganz und gar entzückt, bevor ich merke, dass ich durch mein Staunen den anderen Schwimmern den Weg versperre und mal besser in die Puschen komme, damit ich meine 2 km noch schaffe. Ich bin ja nicht zum Vergnügen da.

Unter der Dusche

Ein Gastbeitrag von Ariella.

Der Aqua-Aerobikkurs endet wie immer um Punkt neun Uhr abends. Wie immer machen sich die Senioren um Punkt fünf nach neun auf, um unter die Dusche zu schlüpfen. Wie immer meide ich diesen deprimierenden Anblick und schlüpfe gleich in die Garderobe, um mich umzuziehen. Nur heute nicht. Heute ist es anders. Ich weiß, dass mein ganzer Körper übersäht ist von den Spuren vorletzter Nacht, die der Bikini nur schwer verbergen kann. Blaue Flecken um meine Handgelenke, blaue Flecken am Oberschenkel und auf den Brüsten. Vor allem aber: Peitschenhiebspuren, Kratzer und gerötetes Fleisch auf meinem Hintern.

Den ganzen Abend habe ich versucht, diese Spuren zu verdecken: Das Bikinihöschen zurechtzupfen, mit dem Hintern gegen die Wand stehen usw., aber irgendwie will ich jetzt, dass alle es sehen. Sich Gedanken machen, woher ich die Kratzer habe. Ich fühle mich frei und verrucht, und weiß, dass sich keiner trauen würde, mich zu fragen. Es ist das erste Mal, dass ich nackt vor den Anderen dusche. Ein paar der jüngeren Mädchen im Kurs duschen mit Bikinis, aber ich streife einfach alles ab und stehe nackt mit zerkratztem Arsch vor allen und fühle mich erwachsen, selbstbewusst und weiblich. Das warme Wasser spritzt auf meine Haut, ich neige den Kopf nach oben, öffne meinen Mund für den warmen Wasserstrahl. Denke an dich.

Ich beginne mich einzuseifen, entspanne mich noch mehr und bemerke, dass fast alle anderen bereits verschwunden sind. Nur die Frau neben mir steht noch unter der Dusche und ich glaube, sie beobachtet mich. Ich seife mich weiter ein, dusche mich ab, seife mich wieder ein und lasse das warme Wasser erneut den Schaum wegschwemmen und so weiter. Sie macht dasselbe wie ich, einseifen, duschen, langsam und entspannt. Minute um Minute verstreicht. Wir beide sind seit langer Zeit allein im nebeligen, dampfenden Duschraum, viel länger als nötig wäre. Wir stehen nackt da und duschen und duschen und duschen, selbst bis von draußen und von der Garderobe keine Geräusche mehr zu uns dringen. Alle sind bereits gegangen, nur wir stehen uns noch nackt und still gegenüber. Nur das Plätschern des Wassers. Ich frage mich, was sie wohl in dem Moment denken mag.